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Entstehens (1748) der Messias in Ländern französischer Zunge bekannt zu machen versucht. Voran trat bei diesem Unternehmen der für den jungen Dichter damals so begeisterte Bodmer aus Zürich, welchem hierin bald drei seiner Landsleute aus Bern, Winterthur und zuletzt aus Neufchatel nachfolgten. So sehen wir, wie seit Haller, Bodmer und Breitinger die Schweiz nicht bloß das Erblühen unserer Dichtung wirksam förderte, sondern auch für die Vermittelung und Einführung derselben bei ihren Nachbarn, den Franzosen, thätigen Eifer entwickelte.

Als schon im voraus bethätigte Ausführung des Entschlusses, welchen er öffentlich 555 ausgesprochen hatte, daß er nämlich in französischen und italienischen Blättern auf die neue Erscheinung aufmerksam machen wolle, ließ Bodmer eine Prosaübersehung oder, genauer gesagt, einen Auszug in französischer Sprache aus Gesang I-III machen und veröffentlichte denselben, mit einer Wür digung begleitet, in dem Dezemberheste 1748 des Journal helvétique 566 unter der Ausschrift „Echantillons d'un poème épique allemand, dont le sujet est la rédemption ou le Messie, tirés de la lettre d'un gentilhomme allemand". Den Schluß dieser Mitteilung, welche auch den Verfasser der deutschen Dichtung angiebt 557, bildet der Hinweis, daß eine Übersetzung des Ganzen ein Ruhm für den Überseker sein würde.

Nach Frankreich allerdings scheint dieses früheste Echo vom Messias kaum gedrungen zu sein. Wohl ebenso wenig kam dahin eine Kunde von der nicht im Drucke erschienenen Übersesung, welche Tscharner aus Bern noch vor seiner am 31. März 1750 in Göttingen veröffentlichten Übertragung von Hallers Gedichten unternommen hatte. 558 In einem vor einigen Jahren aufgefundenen Briefe Klopstocks (13. Septbr. 1750) dankt derselbe für die von diesem Schweizer herrührende französische Übersetzung des Anfanges des Messias. Weiterhin schrieb Klopstock an Tscharner, daß er sich vorgenommen hatte, dessen Übersetzung noch einmal durchzulesen und ihm einige Anmerkungen darüber zu machen. Aber plötzlich habe ihm Bodmer mitgeteilt, daß er das Manuskript auf Begehren Tscharners zurückgeschickt hätte. 559

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Nicht lange darauf wurde Tscharners Übersetzung, welche auf Veranlassung Bodmers in den ersten Monaten des Jahres 1750 verfaßt und mit Beifall aufgenommen worden war, in Berlin für einen besonderen Zweck zu verwerten gesucht. Mit derselben wandte sich nämlich das Mitglied der dortigen Akademie, der Schriftsteller I. G. Sulzer aus Winterthur, welcher ähnlich wie sein Landsmann Bodmer für Klopstock begeistert war, an den Präsidenten der Akademie, Maupertuis, sowie an Voltaire, damit durch die empfeh lende Vermittlung dieser zwei so einflußreichen Fremden die Dichtung in französischem Gewande in die Hände und womöglich in die Gunst des der deutschen Poesie abholden Friedrichs des Großen gelangen möchte. Der Versuch scheiterte aber von vornherein an der höhnischen Ablehnung der genannten Schriftsteller. 560

Doch wir kehren nach Frankreich zurück. Hier machte der wiederholt erwähnte Kritiker Fréron auf den jugendlichen Verfasser des in Deutschland mit großem Beifall aufgenommenen Messias aufmerksam, dessen Gegenstand mit demjenigen Miltons in seinem „Paradise regained" Ähnlichkeit habe; derselbe Stoff sei auch von dem Abbé de la Baume in dessen Prosa-Epos „La Christiade" behandelt worden. 561 Die nämliche Aufschrift wie Klopstocks Epos trug der im Jahre 1777 erschienene „Messie" von Dubourg, welcher übrigens in seinen unbedeutenden, die Geburt des Heilandes feiernden fünf Gesängen nicht unseren Dichter, sondern Milton an mehreren Stellen zum Vorbilde genommen hat. 562

Näherer Einblick in die zehn ersten Gesänge unseres christlichen Heldengedichtes wurde den Franzosen durch die Auszüge geboten, welche unter Übersetzung der schönsten Stellen und der Zueignungsode an den König von Dänemark, sowie unter Darlegung der von Klopstock befolgten metrischen Grundsätze, im Journal étranger vom August 1760 bis November 1761 nach und nach erschienen waren. Hinsichtlich seiner Bedeutung wird das Epos als eine eigentümliche Dichtung voll Begeisterung und Phantasie bezeichnet, welche trotz der Schwierigkeit des Gegenstandes von vielen neuen, starken und rührenden Schönheiten glänze. Obschon das_Endurteil bis zum Erscheinen des Ganzen ausgesetzt werden müsse, so

könne man doch schon jekt die Dichtung als eine kraftvolle und erhabene bezeichnen: „C'est la poësie d'Homère asservie à celle des Prophètes. " 563

Einer der eifrigsten Verehrer des Messias war kein geringerer als Turgot, welcher sich auch mit einigen Versen an der Übersetzung des ersten Gesanges versuchte und an Klopstock einen Glückwunsch gerichtet haben soll, daß er die Dichtkunst vom Zwange des Reimes befreit habe. 564 Auch Diderot soll die stille Erhabenheit des Messias durch die Verdolmetschung hindurch gefühlt haben. 565

Die Reihe der zusammenhängenden Übersetzungen beginnt verhältnismäßig spät. Der erste Franzose, der sich an diese schwie rige Aufgabe wagte, war d'Antelmy, Lehrer an der Ecole royale militaire, welcher sich bereits durch seine Übersetzung der Fabeln Lessings (1764) bekannt gemacht hatte. Schon in der Vorrede zu dieser hatte er mitgeteilt, daß er die Übertragung von Klopstocks „unsterblicher Dichtung" unternommen habe, von welcher zwei Proben im Journal des Savants im Jahre 1763 erschienen waren. 566 Die Übersetzung wurde im Jahre 1769 unter der Aufschrift, Le Messie "567, aber nur die zehn ersten Gesänge ent haltend, veröffentlicht. Als Mitarbeiter hatte der Überseker seinen Kollegen und früheren Lehrer Junker. Hierüber, sowie über die Unterbrechung der unternommenen Arbeit, teilt das Vorwort mit, daß d'Antelmy die wörtliche Übersehung des Werkes, für welche er an Junker alle wünschenswerte Hilfe gefunden habe, schon vollendet hatte, als zwingende Berufspflichten ihn nötigten, darauf zu verzichten. Er habe dann einen Freund gebeten, für ihn der Verpflichtung nachzukommen, welche er seit dem Jahre 1763 dem Publikum gegenüber gleichsam übernommen habe.

Von dieser Übersetzung, welche zwar in elegantem Französisch geschrieben war und im Jahre 1772 neu aufgelegt wurde, aber ganz farblos und zudem nur zur Hälfte vollendet war, zeigte sich Klopstock, wie überhaupt von allen französischen Übertragungen seines Messias, wenig befriedigt. Er klagte wiederholt darüber, daß die Franzosen, an deren Anerkennung ihm lag, obgleich er nicht aus ihrer, sondern aus der englischen Bildungsquelle geschöpft

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hatte, seine Hauptdichtung nur aus einer unvollständigen Übersesung kannten und ihn danach zu beurteilen sich erlaubten. Übrigens lautete die Würdigung, welche von einer bedeutenden Zeitschrift auf Grund der d'Antelmyschen Übertragung über die Dichtung selbst ausgesprochen wurde, nicht eben abfällig: „l'auteur, sans s'écarter du respect dû au mystère que lui a fourni son sujet, a su l'enrichir de plusieurs traits d'imagination; c'est un des meilleurs poëmes épiques que les modernes aient produit, mais fort inférieur cependant à la Jérusalem délivrée et même au Paradis perdu. "568 Manch französischer Leser sand Klopstock zu düster. In Kreisen der Hauptstadt hörte man Urteile wie folgendes: „Sa manière est noire et sombre. Il peut être sublime, mais il est trop abstrait. Il s'est formé sur les Anglois. " 569

Die zweite französische Übersetzung des Messias,,, Le Messie", von dem Pastor Petit-Pierre in Neufchatel, welche erst im Jahre 1795 herauskam 570, schien Klopstocks Wunsch befriedigen zu können. Denn sie war eine ganz vollständige. Aber freilich war sie anderseits eine durch übertriebene Wörtlichkeit so verunglückte Wiedergabe des Originales, daß der Dichter in einem Gedichte scherzend sagte, sein Werk sei von dem Überseker nicht übersetzt, sondern über den Lethe gesetzt worden. Der wohlmeinende und für Klopstock begeisterte Überseker, den er den deutschen Milton nennt, welcher aber inniger als der englische Dichter von seinem Gegenstande durchdrungen sei, hatte, um für religiöse Leser möglichst treu dem Urtexte zu folgen, ungefähr so übersezt, wie mündlich jemand übersehen würde, der beide Sprachen gut verstände. Vergebens hatten, wie in der voranstehenden Vorrede bemerkt wird, zwei Freunde des Verfassers versucht, der verfehlten Arbeit nachträglich etwas mehr Schwung und Leben zu verleihen.

Nicht besser war die einige Jahre darauf (1801) erschienene, gleichfalls vollständige Übersetzung „La Messiade de Klopstock" burch die deutsche Kanonissin des Stiftes Förth in Westfalen, Frau von Kurzrock. 571 Obgleich diese Dame vom besten Willen beseelt war und sogar nach Paris reiste, um ihre Arbeit dort drucken

zu lassen, so fehlte ihr zum Gelingen - in dem Vorworte bittet sie um Nachsicht für schwache Stellen, Pleonasmen, Germanismen, ungrammatische Wortstellungen nicht bloß die erforderliche stilistische Bildung, sondern geradezu die genügende Kenntnis der französischen Sprache. Klopstock sagte sogar, daß Frau Kurzrock einen ebenso kurzen Verstand als Rock habe.

Weniger bekannt ist es, daß nicht viel daran fehlte, daß Klopstock noch vor seinem Tode die Freude erlebte, eine gelungene Wiedergabe seiner großartigen Schöpfung erstehen zu sehen. Ein französischer Emigrant, welcher sich für einige Zeit in Hamburg niedergelassen hatte und hier oft mit dem ehrwürdigen Barden Deutschlands zusammenkam, hatte unter dessen Augen die Übertragung dieses Epos begonnen. Er hatte schon mehrere Gesänge desselben zu der großen Befriedigung des Verfassers beendigt, und treffliche Kenner des Französischen stellten seiner Übersetzung einen vollständigen Erfolg in Aussicht. Aber die Umstände entfernten ihn von Hamburg und seinem Führer, und so blieb die unterbrochene Arbeit leider unvollendet und unveröffentlicht.

Dagegen hat sich die Übertragung einer Episode aus dem Messias erhalten, welche in Klopstocks Gegenwart niedergeschrieben wurde. Als nämlich ein Franzose ihn eines Tages bat, ihm einen Gesang anzugeben, welchen er unter seinen Augen, wenn auch nicht mit der Kraft, welche der Milton Deutschlands der französischen Sprache überhaupt kaum zutraute, aber doch wenigstens mit gewissenhafter Treue übersetzen könnte, so nannte ihm Klopstock die Episode von Dilean im fünfzehnten Gesange, gab einige Aufklärungen oder Winke und schien von der Übertragung befriedigt. 572

Ungefähr um die nämliche Zeit wäre beinahe eine andere wirksame Episode von dem Modedichter des damaligen Frankreich übertragen worden. Der Abbé Delille nämlich hatte viel von Abbadona im zweiten Gesange gehört und hätte seinen Aufenthalt in Deutschland gern durch die poetische Übertragung dieses Stückes gekennzeichnet. Er wandte sich an den um die Vermittelung der deutschen Litteratur hochverdienten Ch. de Villers, um eine wörtliche Übersetzung davon zu haben. Aber als der elegante Ver

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