Images de page
PDF
ePub

und kraftvoll ausgedrückte Empfindungen und ganze Auftritte von bewunderungswürdiger Schönheit. Was ihre Bearbeitung betreffe, so sei dieselbe nur eine Nachahmung des Klopstockschen Originals. Sie habe allerdings gesucht, die Fehler desselben zu vermeiden, sie sei einem anderen Gange gefolgt, sie habe viele Längen unterdrückt, zahllose Einzelheiten und einige ganze Auftritte hinzugefügt. Aber zum Schlusse sagt die Verfasserin bescheiden: „J'ai pris dans la tragédie de M. Klopstock tout ce qui m'a paru beau, et c'est sans doute ce qu'il y a de meilleur dans la

mienne."

Zwei Jahre darauf erschien die zweite für die französische Jugend berechnete Bearbeitung. Sie ist in dem „Almanach des enfants pour 1787" aufgenommen und hat unter derselben Aufschrift, La Mort d'Adam" Villemain d'Abancourt zum Verfasser, welcher die Handlung des Stückes in einen Akt in Versen zusammengedrängt hat. 585

Daß der „Tod Adams" in Frankreich noch zu Anfang unseres Jahrhunderts Verehrer fand und zwar selbst unter dem Kriegszelte, beweist die bekannte Thatsache, daß Napoleon auf seinem Feldzuge in Syrien sich die Klopstocksche Dichtung vor St. Jean d'Acre vorlesen ließ. 586

Unterdessen hatte auch die „Hermannsschlacht" ihre Übersetzer, aber allerdings keine besseren als der Messias, gefunden. Im Jahre 1773 wurde sie in der französischen Schweiz durch Bauvin 587, einige Zeit später in Paris durch Chr. Fr. Cramer aus Kiel, in Prosa wie auch die erstere, übertragen (1799). Dieser Litterat, welchen wir später auch als Übersetzer eines Schillerschen Dramas finden werden, ließ seine „Bataille d'Herman" in zweiter Auflage unter der veränderten Aufschrift „Le Tableau d'un héros ou Vie dramatisée d'Herman" mit Anmerkungen und einer längeren Einleitung versehen im Jahre 1803 erscheinen. In lezterer sagt er unter anderem, um Gunst zu finden, daß dieses Werk nicht bloß durch seinen Inhalt, sondern auch ganz besonders dadurch die Aufmerksamkeit der kriegerischen Söhne der Gallier und Franken auf sich ziehen müsse, weil es ja einen alten Buonaparte Germaniens verherrliche. Die Übersetzung selbst läßt nicht selten viel zu wünschen übrig. 588

Es bleibt uns noch übrig, von der Aufnahme der glänzendsten Schöpfung des Klopstockschen Genius, von seinen Oden zu sprechen. Zwar mußte bei einer Übersetzung in die engbegrenzte französische Sprache die Harmonie des kunstvollen Metrums und der Schwung ihrer kraftvollen Poesie mehr oder minder stark geschädigt werden. Auch sind sie erst in neuerer Zeit als ein Ganzes, wenn auch nicht vollständig, übertragen worden. 589 Aber gleichwohl gewannen einzelne derselben teils schon zu Lebzeiten des Dichters, teils später durch Übersetzung und Verbreitung weit mehr Beachtung, als man bisher angenommen hatte.

Der Zürchersee" wurde sogar schon in demselben Jahre, in welchem er gedichtet wurde, von einem Züricher Namens Werdmüller im August 1750 in französische Prosa übertragen. Die Übersetzung ist freilich sehr mangelhaft, unkorrekt und durch zu wörtliche Wiedergabe geradezu unfranzösisch. 590 Dagegen wurde die Ode „Hermann und Thusnelda" von keinem geringeren französischen Dichter als André Chénier in freier und geschmackvoller, nur wenig geschwächter poetischer Bearbeitung übertragen. 591 Gleichfalls in Versen, aber in höchst mittelmäßigen, übertrug der Chevalier de Bourgoing, welcher Gesandter des Königs Ludwig XVI. in Hamburg war, die „Etats généraux". 592 Meilhan übersetzte den „Eroberungskrieg" in schwungvollen Der Schriftsteller Mexandrinern und begleitete die Nachbildung mit einem verbindlichen Schreiben an Klopstock. Er nimmt dabei Gelegenheit, dessen Ansicht, daß jeder klar ausgedrückte Gedanke übersetzt werden kann, zu besprechen, und betont die Notwendigkeit für den Übersetzer, zu gleichwertigen Ausdrücken lieber zu greifen als wörtlich zu übersehen, sobald der Volksgeist den Gedanken zurückweist und der Sprachgeist ihn nur durch lange und schwächende Umschreibungen wiedergeben kann. In der deutschen Nation herrsche eine Tiefe des Gefühles, welche einen großen Einfluß auf die Sprache habe. Ebenso hätten die religiösen Ideen bei ihr mehr Herrschaft, und aus diesen zwei großen Seelenstimmungen müßten zahlreiche Ideen=

modifikationen hervortreten, durch welche Wendungen und Ausdrücke hervorgebracht werden, welche vielleicht unmöglich im Französischen wiedergegeben werden könnten. 593

Dasselbe Thema der großen Schwierigkeit, deutsche Dichter und besonders Klopstock ohne Aufopferung eigentümlicher Schönheiten in das Französische zu übersehen, wurde auch in dem Spectateur du Nord vom Jahre 1797 berührt. Unsere Dichter seien noch gedrungener als die lateinischen und deshalb schwieriger zu übertragen. Erstgenannte Eigenschaft, verbunden mit der Kühnheit der Wortstellung, der Fülle und dem Reichtum der Epitheta, gäben der deutschen Poesie Schönheiten, welche in anders gebauten Sprachen nicht nachgeahmt werden könnten. So wird nun, um dem Verlangen Klopstocks nach wörtlicher Übersetzung nach Kräften nachzukommen er klagte über den Mangel an Treue, oder wie er einmal sagte, die „Treulosigkeit" der übersehenden Franzosen in diesem Aufsatze vorgeschlagen, zwei Arten von Übertragung aus dem Deutschen eintreten zu lassen, nämlich eine prosaische Übersezung und eine Nachbildung in Versen. Als Ausführung dieser Theorie legt der Verfasser dieses Artikels eine der letzten Oden Klopstocks „Die Sonne und die Erde" in dreifacher Behandlung vor: zuerst als ganz wörtliche Interlinearübersetzung, dann als geschmackvolle Prosaübersehung und zuletzt als freie und gelungene dichterische Übertragung. 594 In derselben Zeitschrift wird auch die Ode „Die zweite Höhe", in welcher der Geist der deutschen Sprache am weitesten sich von demjenigen der französischen entfernt, zuerst in einer Interlinearübersetzung, welche Klopstock selbst geliefert hatte, und dann in einer freieren Prosaübertragung vorgelegt. 595

Im Jahre 1801 erschien die Prosaübersetzung von „Heinrich der Vogler", „Das Rosenband" und zum zweiten Male „Der Zürchersee". 596 Ebenso wurde die „Künftige Geliebte" in Prosa übersetzt. 597

Besonders aber war es die Begeisterung, mit welcher Klopstock die Morgenröte der französischen Revolution so hoffnungsvoll in einigen Gedichten begrüßt hatte, welche seine Oden und seinen Namen den Franzosen bekannter und wert machte.

So erklärt es sich, daß ihm durch Beschluß der Nationalversammlung vom 26. August 1792 zugleich mit Campe, Pestalozzi, Cloots und dreizehn anderen mehr oder weniger hervorragenden Fremden, zu welchen nachträglich - als der achtzehnte - Schiller hinzugefügt ward, das französische Bürgerrecht als Auszeichnung erteilt wurde. 598

Bleibendere Befriedigung gewährte dem bald enttäuschten greisen Sänger eine Anerkennung anderer Art, welche er von Frankreich erfuhr und welche er erstrebt hatte: kurze Zeit vor seinem Tode wurde er zum Ehrenmitglied des französischen Instituts ernannt. Nach seinem Dahinscheiden ehrte die berühmte Körperschaft nicht minder sich selbst als ihr ruhmgekröntes Mitglied, indem sie am Jahrestage seiner Beisetzung, am 22. März 1805, sein Andenken durch eine öffentliche Lobrede feiern ließ, in welcher Dacier, der beständige Sekretär des Instituts, die hohen Verdienste des Sängers des Vaterlandes, der Religion und der Tugend, welchen die Revolution den Franzosen als Mitbürger geschenkt habe, in eingehender, wenn auch nicht erschöpfender Darstellung hervorhob. 599

Auch nach dem Tode des Dichters fanden die Oden noch Bewunderer und Überseker. Außer der Frau v. Staël, welche für sie eine ähnliche Verehrung wie für den „Messias" hatte, den Dichter selbst wegen des in seinen Oden vorherrschenden religiösen Charakters den David des Neuen Testamentes nannte, und von den „Beiden Musen" eine Übersetzung bot, ist hier ganz besonders Camille de Jordan zu nennen. Dieser durch seine politische Thätigkeit bekannte Schriftsteller hatte, als er sein Vaterland verlassen mußte, sich zuerst in Tübingen, später in Weimar aufgehalten, wo er von Herder, Wieland, Goethe und Schiller mit Auszeichnung aufgenommen wurde. Er benutzte die Zeit seiner Verbannung, um die deutsche Sprache, Philosophie und Litteratur näher kennen zu lernen. Am mächtigsten zog ihn der Sänger des Messias an; selbst auf Reisen hatte er immer seinen „lieben Klopstock" bei sich. Als Frucht seiner Studien legte er später in der Akademie von Chon einige, leider nicht veröffentlichte 600,

Essais "

nach anderen, Etudes " sur Klopstock" vor, welche noch vor dem epochemachenden Werke der Frau von Staël eine lebensvolle Übersicht über alle schönen Geisteserzeugnisse Deutschlands enthielten. 601

Dagegen ist durch das Erscheinen in der Minerve littéraire die gelungene Prosaübertragung Jordans von sechs schönen Oden seines Lieblingsdichters erhalten und bekannt geworden. 602

Wenn wir nun zum Schlusse von Klopstock an aufwärts bis zu Haller einen zusammenfassenden Rückblick thun und die Frage aufwerfen, nach welcher Seite hin und durch welche Eigenschaften es unserer spätgeborenen Litteratur gelang, auf die in altem Glanze strahlende und ihr selbst voranleuchtende französische Poesie einigen Einfluß auszuüben, so ist die Antwort aus der vorausgehenden Darstellung nicht schwer zu entnehmen.

Was zunächst die großen Dichtungsgattungen betrifft, so trat nicht bloß das Drama, welches bei uns in eigenartiger Weise nur durch das biblische Trauerspiel in dieser Periode vertreten ist, sondern selbst das Epos, welches trok oder vielmehr wegen seines tief religiösen Inhaltes keine Wurzel im Nachbarlande faßte, wenig in den Vordergrund internationaler Wirksamkeit. Dagegen fand von den Zwischengattungen einerseits unsere Fabeldichtung bei den Franzosen thätige Beachtung, anderseits und ganz besonders wurde die durch Geßner erweiterte und verinnerlichte Hirtenpoesie in der umfassendsten Weise bei ihnen gepflegt und sogar einheimisch gemacht.

Nicht schwach ferner war der Eindruck, welchen unsere Lyrik jenseits des Rheines hervorrief. Obgleich ihr zwar in jenem Zeit raume noch wesentliche Züge und Töne fehlten, so fühlte man sich doch lebhaft von ihr angezogen. Was zunächst an ihr gefiel, war das Frische und Unmittelbare der Empfindung, die Innigkeit des Gefühles, die philosophische Tiefe des Gedankens, der Schwung der Phantasie, die Lauterkeit und Echtheit der Begeisterung. Bei uns herrschte die Natur und das Gemüt, bei den Franzosen die Kunst und der nach Wirkung zielende Verstand vor. Unsere Dichtung war gleichsam ein duftiger Strauß von Waldeshöhen, die

« PrécédentContinuer »