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der folgenden vierzig Jahre der besonderen Aufmerksamkeit der englischen Regierung. Obschon sie auch in dem 1744 zwischen Frankreich und England ausbrechenden und theilweise um ihren Besitz geführten Kriege neutral blieben, traute ihnen die englische Regierung nicht, sondern ordnete ihre vollständige Vertreibung an. Lawrence, der Gouverneur von Neuschottland, war das Werkzeug dieser grausamen Massregel.

Diejenigen, welche über zehn Jahre zählten, hatten den Befehl erhalten, sich an einem bestimmten Tage in ihren Kirchen zu versammeln. 480 begaben sich in die Kirche von Grand - Pré so nach den grossen Wiesen benannt, die sich ostwärts ausdehnten im Gebiete Minas. Dort beginnt auch das Gedicht Evangeline. Der englische Commandant Winslaw verkündet eine königliche Proclamation, welche die Einschiffung der Akadier und die Verwüstung ihrer Ländereien von Annapolis bis zum Isthmus anordnet.

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Ein unversöhnliches Geschick verfolgt dann überall die verbannten Akadier. I know not, sagt der bekannte amerikanische Geschichtsschreiber Bancroft in seiner Geschichte Amerika's, if the annals of the human race keep the record of sorrows so wantonly inflicted, so bitter and so perennial, as fell upon the French inhabitants of Acadia.

Und Longfellow in seiner „Evangeline":

Ohne Freunde, ohne Heimat, ohne Hoffnung, so irrten sie von Stadt zu Stadt; von den eisigen Seen des Nordens bis zu den heissen Savannen des Südens.

Um das Gemälde zu vervollständigen, müssen wir jetzt die erdichteten Personen vorführen. Die Heldin des Ganzen ist Evangeline, die Tochter eines reichen Farmers. Wir geben im Folgenden meist Stellen aus dem Gedichte selbst:

Etwas abseits vom Dorfe, nahe an der Bucht von Minas, wohnte Benedict Bellefontaine, der reichste Farmer von GrandPré, auf seinem hübschen Gute. Ihm zur Seite stand seine Tochter, die liebliche Evangeline. Sie war des Dorfes Stolz... Man nannte sie Sonne der heiligen Eulalie; denn von dieser

Sonne glaubten die Dorfbewohner, dass sie ihre Obstgärten mit Früchten segne.

-- Manch ein Freier nahte ihr. Der Einzige, den sie im Herzen willkommen hiess, war Gabriel Lajeunesse, der Sohn des Grobschmieds Basile, welcher ein tüchtiger Mann war; von Allen geehrt, die ihn kannten.

Der Heirathscontract war unterzeichnet worden. Am folgenden, dem so verhängnissvollen Tage für Neu- Schottland, feierte die muntere Jugend des Dorfes das Hochzeitsfest unter heiterem Himmel. Eben erst war die Sonne am Horizonte erschienen, und schon athmete man den köstlichen Duft blühender Gärten und Wiesen. Der Glocken Klang erschallt, die Männer gehen zur Kirche, und die Tragödie beginnt.

Evangeline, des Vaters beraubt, der beim Anblick der Flammen, die Grand - Pré verzehren, erliegt, sieht sich bei der Einschiffung auch von ihrem Gatten getrennt. Sie folgt seiner unsicheren Spur, aber überall langt sie zu spät an: Gabriel ist überall schon fort. So wendet sie sich nach dem Eden Louisiana; denn sie hat erfahren, dass ihr Gatte und dessen Vater Basile dort eine Colonie gegründet haben. Sie fährt in einem kleinen Boote den Mississippi hinab. Eines Abends legt sie am Ufer an und verfällt in einen tiefen Schlaf. Im Traum erblickt sie ihn, den sie vergebens sucht, neben sich. Und wirklich gleitet während der Nacht Gabriel in seinem Nachen ahnungslos an dem ihrigen vorüber und richtet seinen Weg nach den Ozark Mountains. Evangeline erfährt von der Missionsgesellschaft in diesen Bergen, dass der Sohn Basile's inmitten der Wälder von Michigan an den Ufern des Saginaw wohne. Als sie aber das Ziel ihrer Reise erreicht, findet sie nur Brandruinen: die Wohnstätte war verlassen. Da kehrt sie um und weiht sich dem Dienst der Mission.

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Jung und schön war sie, als sie hoffend die lange Reise begann; alt und welk, als dieselbe mit Enttäuschung endigte. In jenem herrlichen Lande, das von dem Delaware bewässert wird, liegt an den Ufern dieses prächtigen Stromes die Stadt, welche im waldigen Schatten den Namen des Apostels Penn, ihres Gründers, bewahrt.

Dort suchte Evangeline sich selbst ihr Exil nach langer Reise auf bewegter See. Traulich berührte sie das Du der Quaker. So lebte sie viele Jahre als barmherzige Schwester.

Eine Seuche verheert diese Stadt. Evangeline, des Krankenhauses guter Engel, bemerkt, als sie eines Tages in den grossen Krankensaal eintritt, ein neues Opfer:

Sie erblickte auf dem Siechbette vor sich die Gestalt eines Greises. Lange, dünne, graue Locken beschatteten seine Schläfe; jedoch, wie er im Morgenlichte so dalag, schien sein Antlitz noch einmal für einen Augenblick die Züge der Jugend anzunehmen, wie es wol bei Sterbenden zu geschehen pflegt.

Sie erkennt den so lange und vergeblich gesuchten Gatten und wird wenigstens auf dem Sterbebette mit ihm wiedervereint. Einige haben behauptet, und ich selbst bin früher dieser Ansicht gewesen, dass das beschreibende Element in dem Gedichte zu sehr vorwalte. Dem ist nicht so; der Schwerpunkt liegt trotz der magischen Schilderungen der Urwälder und Savannen, von Grand - Pré, Akadien, dem Eden Louisiana und vom Mississippi, in dem dramatischen Verlaufe.

Das nächste grössere Gedicht, „Die goldene Legende" (The golden Legend), ist geradezu deutschen Ursprungs, nämlich nichts. Anderes, als der „Arme Heinrich" von Hartmann von Aue, geschmückt mit modernen poetischen Reisebildern aus Deutschland, der Schweiz und Italien, die jedoch nicht im Uebermasse vorhanden sind.

Die letzte grössere Dichtung in Versen, welche wir hier erwähnen wollen, stammt aus dem Jahre 1857: „Die Freiwerbung des Miles Standish" (The court- ship of Miles Standish). Das Gedicht, auch ein idyllisches Epos, ist in schönen Hexametern geschrieben. Die Lösung des Knotens lässt nicht lange auf sich warten; der Ton des Ganzen ist populär gehalten, der Charakter des Miles Standish mit vieler Natürlichkeit gezeichnet.

Miles Standish stammt aus einer altadligen Familie Englands. Nachdem er in den Freiheitskämpfen der Niederländer gestritten hatte, liess er sich in einer Colonie nieder, welche durch die Puritaner in Nordamerika gegründet worden war. Er schützte sie gegen die Angriffe indianischer Stämme. Unter den

neuen Ansiedlern befand sich eine Waise, Priscilla Mullins. Um diese bewarb sich Miles; er schickte seinen Freund, John Alden, als Freiwerber zu dem jungen Mädchen. Priscilla aber zog John Alden selber vor.

Wir möchten in diesem Gedichte Longfellow den versificirenden Jean Paul nennen.

Für den Schluss haben wir uns vorbehalten, von einem Roman Longfellow's zu sprechen, dem „Hyperion", welcher schon an und für sich den vollgültigsten Beweis von der nachhaltigen Einwirkung geben konnte, die deutsche Literatur, Kunst und namentlich Scenerie auf unsern Dichter ausüben. Der Roman knüpft an eine unglückliche Liebe an, demnach an ein wirkliches Ereigniss aus Longfellow's Leben, und beschreibt in ziemlich losem Zusammenhange die wir möchten sagen lyrischen Abenteuer des Amerikaners Paul Flemming während eines Aufenthalts in der mittleren Rheingegend, in und um Heidelberg. Schon der Name- verräth die deutsche Anschauung des Helden, und wol nie ist in einem von einem Ausländer geschriebenen Werke wärmer und wahrer über Göthe und den Rhein, Amadeus Hoffmann und die Heidelberger Ruine, launiger über Commerse und das Fuchslied berichtet und geurtheilt worden, als im „Hyperion". „Wenn ich ein Deutscher wäre, ich würde stolz auf Göthe, stolz auf den Rhein sein!" Das ist der ewige Refrain in den verschiedenen Capiteln. Wir unsererseits sind stolz, dass einer der grössten Dichter Amerika's unser deutsches Wesen so tief erfasst hat.

Graudenz.

Dr. Gotthold Kreyenberg.

Das politische Schauspiel in Frankreich

unter König Ludwig XII.

I. Gringore.

Während der Regierung Ludwig des XII. blühte in Frankreich eine Art politischen Schauspiels, wie es die französische Bühne vorher und lange Zeit nachher nicht gekannt hat. Wiederholte Veröffentlichungen haben in neuerer Zeit einzelne dieser alten Stücke wieder bekannt gemacht, seitdem Onesyme Leroy durch die in seinem trefflichen Buche „Etudes sur les mystéres" (Paris 1837) enthaltenen Bruchstücke aus Gringore's Leben des heiligen Ludwig die Aufmerksamkeit auf den fast vergessenen Dichter und seine Zeit gelenkt hatte. Sogar eine Gesammtausgabe der Werke Gringore's ist versucht worden,*) doch ist bis jetzt nur der erste Band erschienen, der nicht gerade die besten Stücke enthält. In der Einleitung dieses Bandes macht Herr d'Héricault den Versuch, das Leben des Dichters vom Standpunkt der politischen Geschichtsschreibung aus zu betrachten, verfährt aber dabei in so unkritischer Weise, dass seine Erörterungen über Gringore's politische Beziehungen völlig in der Luft schweben, weil die Einzelheiten, von denen er ausgeht, jeder Begründung entbehren. Doch ist ein solcher Versuch nicht uninteressant, denn, wie d'Héricault richtig bemerkt, der Bürgerstand ist es, an den Gringore sich wendet, der seine Angriffe und Anspielungen beklatscht. Von dem französischen

*) Von d'Héricault und de Montaiglon. Erster Band. Paris 1858. Archiv f. n. Sprachen. XLI.

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