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jungen Mannes beginnt sich zu regen: Vernunft und Verstand erscheinen auf der Bühne. Prächtig ist der Streit, den die Beiden gegen den Versucher führen, aber der Sieg ist schwer zu erringen. Denn Herr Barat weiss seine Sache zu führen, er ist ein gewandter Advokat, ein Kenner des menschlichen Herzens und versteht es, jede Saite anzuschlagen, die mehr dem Genusse sich zuneigt, als strenger Pflicht. Doch zuletzt sagt sich der junge Mann von ihm los, er muss sich zurückziehen; Vernunft und Verstand folgen ihm, nicht ohne die Zusendung anderer Schutzgeister versprochen zu haben. Nach kurzer Pause erscheinen guter Wille, gutes Herz und das Talent wohl zu thun; sie führen den jungen Mann zum Schlosse der Arbeit, einem grossen Hause, dessen Chef die Arbeit ist, dessen Thüren vom Fleisse und seiner Frau, der Sorge, gehütet werden. Hier wird der junge Mann von seinen Begleitern in die einzelnen Werkstätten geführt, sie erklären ihm die verschiedenen Gewerbe, deren jedes gleich nothwendig ist für das Wohl der Menschheit. Ueberall sieht er fleissige Menschen, die ihren Unterhalt verdienen, indem sie ihren Mitmenschen nützlich sind. Aber es genügt nicht, dass der junge Mann die Nothwendigkeit und den Nutzen der Arbeit erkenne, er muss auch ihr Glück und ihre Belohnung sehen. Deshalb wird er nach dem Hause der Ruhe geführt, wo der Arbeiter nach vollbrachtem Tagewerk, im Kreise seiner Familie sich Erholung und Freude gönnt. Diese kleine Scene ist mit kindlichem Sinne, mit rührender Einfachheit gemalt. Ohne ein Wort zu sprechen, halten der junge Mann und seine Begleiter sich zurück, nur einen scheuen Blick durch die offene Thür wagend, um die friedliche Ruhe nicht zu stören, die in dem kleinen Hause herrscht. Mit bewegtem Gemüth kehrt der junge Mann nach Hause zurück, um seiner Frau zu erzählen, was er gesehen hat und mit ihr ein neues Leben zu beginnen.

Wie schon der Inhalt zeigt, ist das Schloss der Arbeit nicht eigentlich ein Schauspiel, sondern eine Reihe einzelner Scenen, welche durch die Erzählung eines Schauspielers miteinander verknüpft sind. In dieser Art der Anordnung liegt eine gewisse Aehnlichkeit mit den 1505 gedruckten „Folles entreprises", soweit bei dem wirren Durcheinander dieses Stückes

von Anordnung die Rede sein kann. In Schlummer versunken, lässt der Dichter vor seinen Augen gleich Traumgestalten alle thörichten Handlungen vorüberziehen, die in Kirche und Staat begangen werden. Von dramatischem Zusammenhang ist dabei wenig die Rede. Das Stück besteht zur Hälfte aus Dialog, zur anderen Hälfte aus einzelnen Gesängen, die nur zum Theil durch eine Art von Erzählung mit einander verknüpft sind. Dass diese recitirenden Worte stets einem Schauspieler in den Mund gelegt werden, lässt freilich auf scenische Darstellung schliessen, doch müssen derselben einige Aenderungen vorangegangen sein, die aus der gegenwärtigen Gestalt des Stückes nicht mehr erkannt werden können.

Der Traum beginnt mit dem Falle Lucifer's, den der Dichter als Fürsten des Ehrgeizes bezeichnet; unmittelbar darauf folgt ein Kapitel über ehrgeizige Fürsten, durch Beispiele erläutert, die der Dichter vorsichtiger Weise aus den Zeiten der Pharaonen und der assyrischen Könige wählt, während seine Ermahnungen sich an alle lebenden Fürsten richten. So zum Beispiel in einem der letzten Verse:

„Empereurs, roys, ducz, contes et marquis,
Cadetz, seigneurs, vicontes, mareschaulx,
Princes, barons, saichez qu'il est requis,
Que supportez vos serfs et vos vassaulx.
Si vous faictes les guerres et assaulx,
Sur eux tumbe la perte et le dommaige;
Ils nourrissent vous, vos gens et chevaulx
De leur mestier, ou de leur labouraige.
Ung jour direz: las! pourquoy labourai je
A espandre sans cause sang humain,

En malle heure prins le glaive en ma main
Pour commettre si grant vice et oultraige!"

Ein anderer Gesang behandelt die Schatzmeister und spricht von ihnen in den härtesten Ausdrücken. Der Dichter vergleicht sie mit den Wölfen und sagt, dass sie das Dreifache der auferlegten Steuern eintreiben:

„Vous vallez pis que loups étans aux boys:

Pour ung denier en avez compté trois."

Dann aber wirft er ihnen vor, dass sie den Lohn der Soldaten und die Lieferungen für die Armee zurückhielten, dass

sie dadurch ausser anderen Uebeln besonders den unglücklichen Ausgang der letzten Feldzüge veranlasst hätten. Mit einem Theile dieser Klagen lehnt sich der Dichter an die Verhandlungen der Generalstände von 1484, auf denen die Klagen des dritten Standes durch den Mund kühner Redner scharfen Ausdruck gefunden hatten, andere scheinen sich auf Ereignisse der jüngsten Zeit zu beziehen, die noch in aller Gedächtniss sein. mussten. Mit den Worten „Ung dieu, ung roy, une Foy, une loy" schliesst dieser erste Theil des Gedichts, der den Fehlern und Uebelthaten der grossen Herren gewidmet ist.

Der zweite Theil besingt die vier Haupttugenden eines Königs: Gerechtigkeit, Wahrheit, Mitleid und Friede. Namentlich Gerechtigkeit verlangt der Dichter von jedem Könige, und bezeichnend für seine Auffassung derselben ist, dass er sie vornehmlich in dem Schutze erblickt, der dem Bürger und Bauer gegen die Bedrückungen der Vornehmen zu leihen ist:

Des principalles vertus, dame Justice
Doit assister tousjours au près du prince,
Et corriger ceulx qui, en la province,
De jour en jour commettent quelque vice."

Die anderen Tugenden werden nur kurz behandelt, um so ausführlicher werden in dem dritten und längsten Theile des Gedichts die Geistlichen, Vornehme wie Geringe, verspottet. Aus der Fülle wenig zusammenhängender Einzelheiten, die hier in Balladen, Satyren und Dialogen allegorischer Personen geboten werden, seien nur wenige Stellen hervorgehoben, weil sie für die Anschauung des Dichters bezeichnend sind. Sonst sehen wir ihn stets in heftigem Kampf gegen die Privilegien und ihre Inhaber, hier vertheidigt er zwei veraltete Vorrechte, in entschiedenem Gegensatz gegen die Bürgerschaft von Paris, welche die Abschaffung derselben dringend verlangt hatte. Er vertheidigt die Vorrechte der Universität, die der König ein wenig beschränkt hatte, um die Bürger vor Zügellosigkeiten übermüthiger Studenten zu schützen, und er schwingt die Geissel seines Spottes gegen eine Commission ehrsamer Bürger, eingesetzt von der Stadt Paris, um die Krankenpflege im Hôtel Dieu zu überwachen, die seit alten Zeiten dem Capitel von Notre-Dame zustand.

Wichtiger sind einige Verse des Spottes über die Resultatlosigkeit aller bisherigen Versuche, die Kirche zu reformiren, und die fromme Entrüstung über die, welche sogar gewagt hatten die Glaubenslehre anzutasten. Alle die das wagen sind in den Augen Gringore's nicht besser als Juden und Heiden.

,,O gens despitz, felons, blasphemateurs,

Jureurs, menteurs, en peché obstinez,
De nostre foy estes persécuteurs,
Fols detracteurs, de vices protecteurs,
Faulx inventeurs, en jurant vous damnez!
Trop mesprenez, Jesu Christ indignez

Et repugnez; droit veut qu'on vous punisse
Si ne craignez sa divine justice.“

Er wendet sich an den allerchristlichsten König und bittet ihn, den Glauben der Väter gegen jeden Angriff zu schützen. Schärfer noch als in den vorher besprochenen Schriften tritt hier Gringore's Stellung zur Kirche hervor. Heftige, oft unwürdige Angriffe auf die Geistlichkeit und daneben innigste Anhänglichkeit an die Lehren und Einrichtungen der Kirche. Ein zweites Hauptmoment seiner Poesie tritt hier hinzu: der Kampf gegen die Vorrechte des Adels. In den Gelegenheitsstücken und im Chateau de labour trat dieser Kampf etwas zurück, durch die anderen Schauspiele zieht er sich wie ein rother Faden hindurch.

In innigster Verbindung erscheinen beide Gedanken in zwei Schauspielen, welche von allen Stücken Gringore's die bekanntesten geworden und häufig besprochen sind, in den „Abus du monde" und in dem „Jeu du prince des sots". Das erstere hat der Herzog von La Valliere in seiner Bibliothèque dramatique (Dresden 1768) dem Gringore absprechen wollen, vornehmlich weil es pikanter und geist voller sei, als die ihm bekannten Stücke des Dichters. Indessen ist es bereits 1504 mit Gringore's Namen gedruckt; auch der Ansicht, dass es besser oder geistreicher sei als die anderen Poesieen, wird Niemand beipflichten können, der es mit den Folles entreprises vergleicht. Die Scene zeigt uns die Welt in Schlummer versunken und die Gesellschaft der Narren in lebhafter Bemühung, eine neue Welt zu construiren. Zur Grundlage wird die Verwirrung genommen

und als Bausteine dienen die verschiedenen Sünden und Laster, als Heuchelei, Habsucht, Bestechung und andere mehr. Stets schlägt einer der Narren eine Tugend vor, doch die anderen beweisen ihm, dass dieselbe nirgends zu finden sei, in reichem Masse aber das entgegengesetzte Laster. In diesen kleinen Debatten bietet sich vielfache Gelegenheit, alle Welt, besonders aber Adel und Geistlichkeit zu verspotten. Selbst gegen den König richtet sich der kecke Witz. Einer der Narren schlägt die Freigebigkeit vor, doch sot corrompu fällt ihm in's Wort:

,,Car

Liberalité interdicte

Est aux nobles par avarice,
Le chief mesme y est propice,

Et les sujets sont si marchans
Qu'ils se font laiz, sales marchans;
Nobles suyvent la torcherie."

Es wird berichtet, dass Ludwig XII. der Aufführung beigewohnt und diesen Vers herzlich belacht habe. Sicher hatte. er keinen Grund, darüber zu zürnen; er wusste sehr wohl, dass der Bürgerstand durchaus zufrieden war mit der Sparsamkeit eines Königs, der während kurzer Regierung bereits zu wiederholten Malen die Steuern ermässigt hatte.

Das

„Spiel des Narrenkönigs" ist der Titel der berühmten Aufführung, zu der Gringore durch den bekannten, oft gedruckten Aufruf (le cry) alle Narren und Närrinnen der Welt für den Faschingsabend des Jahres 1511 auf den Markt von Paris geladen hatte.

,,Vostre prince, sans nulles intervalles,

Le Mardy Gras jouera ses jeux aux Halles."

Die Vorstellung bestand aus drei Stücken: Sottie, Moralité und Farce. Die Sottie hat von allen Stücken des Dichters wohl am meisten dramatische Anlage, indem Handlung und Dialog immer in enger Beziehung zu dem Grundgedanken stehen. und in folgerechter Entwicklung das schliessliche Resultat vorbereiten. Im Uebrigen zeichnet sie sich nicht gerade durch Schönheit der Gedanken aus, der Witz ist fast noch plumper, als in den Gelegenheitsfarcen. Der Dichter will den Kampf des Königthums gegen die Hierarchie darstellen und lässt seltsam

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